Ausschreiben – durchdacht und effizient

Ausschreiben – durchdacht und effizient

März 2020

Marco Solenthaler

, B.Sc. FHO in Business Administration

«Wenn Sie die aufgeführten Schritte seriös durchführen, wird Ihre Ausschreibung effizienter – Sie machen nicht nur den Submittenten einen grossen Gefallen, sondern vor allem auch sich selbst.»

Effizient ausschreiben bedeutet viel mehr, als dass am Ende das wirtschaftlich günstigste Angebot den Zuschlag erhält. Denn: Ausschreibungen generieren insbesondere in der Konzeptphase einen immensen Aufwand, sowohl für den Auftraggebenden als auch für die offerierenden Unternehmen. Unter Zeitdruck entstehen oft unscharfe Ausschreibungsunterlagen und diese führen zu ungenauen Angeboten. Die Folge: Zwist zwischen Auftraggeber und Submittenten.

 

Mitarbeitende, die mit der bestehenden Infrastruktur unglücklich sind, oder die Angst gegenüber den Mitbewerbern den Anschluss zu verpassen – vielfach wird ad hoc und nicht aus strategischen Überlegungen ausgeschrieben. Ein weiterer Grund für überstürzte Ausschreibungen ist das baldige Erreichen der End-of-Life einer Technologie oder eines Produkts. Insbesondere der Prozess zur Definition des Ausschreibungsgegenstandes wird aufgrund fehlender Zeit oft unsauber durchgeführt und zieht unscharfe Ausschreibungsunterlagen nach sich. Diese wiederum führen zu ungenauen Angeboten und einem Dissens zwischen Auftraggeber und Submittenten.

 

Eine weitere Problematik: Eine Ausschreibung dient oft dazu, sich im Markt umzusehen, also eine Art Marktanalyse durchzuführen. Unsere Erfahrung zeigt, dass der Fokus dabei teils zu stark auf dem Produkt statt auf den Anforderungen liegt. Dadurch orientiert sich die Ausschreibung an der aktuell eingesetzten Hard- und Software sowie den dazugehörenden Dienstleistungen und schliesst so zwangsläufig auch Medienbrüche und Doppelspurigkeiten der bestehenden Lösung mit ein.

 

Ein gut geplantes Vorgehen sowie ausreichend und sinnvoll investierte Zeit im Vorfeld sparen viel Aufwand für spätere Phasen, sowohl auf Seiten Auftraggeber als auch bei Submittenten. Mit der akribischen Erarbeitung der Unterlagen wird der Grundstein für eine erfolgreiche Ausschreibung gelegt. Der Submittent kann dank der transparenten Ausgangslage besser einschätzen, welche Inhalte das Projekt umfasst und ob er das Projekt überhaupt in der vorgegebenen Zeit erfolgreich abwickeln kann. Mit anderen Worten: Je besser die Ausschreibung, desto inhaltlich detaillierter und preislich genauer die Angebote. Dies wiederum vereinfacht die Vergleichbarkeit und Auswertung für den Auftraggebenden.

 

Ausschreibungen sollten also vielmehr in der Langzeitplanung angesiedelt werden, denn in der Regel wird eine Lösung für die nächsten fünf bis acht Jahre evaluiert. Führt ein Auftraggeber eine Ausschreibung ad hoc und damit verbunden oftmals nicht mit der nötigen Sorgfalt durch, trägt er die negativen Auswirkungen für mehrere Jahre. Planen Sie also genügend Zeit ein, um Ihre Ausschreibungsunterlagen zusammenzustellen. Diesbezüglich ist es zielführend, Mitarbeitende mit verschiedenen Rollen und aus unterschiedlichen Abteilungen zu Beteiligten zu machen. Damit holen Sie nicht nur die Anforderungen umfassender ab, sondern erzielen auch ein höheres internes Commitment der Mitarbeitenden gegenüber der neuen Lösung.

 

Wurde der Zuschlag dem wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt, beginnt die Vertragserstellung, die nicht zu vernachlässigen ist. Denn was in der Ausschreibung definiert wurde, soll auch in den Verträgen Bestand haben. Erfahrungsgemäss steht und fällt eine Ausschreibung mit dem Vertragsabschluss.

 

Folgende Fragestellungen helfen Ihnen bei der Definition des Ausschreibungsgegenstandes bis und mit Vertragsabschluss:

 

  1. Scope/Umfang festlegen

 

  • Was soll ausgeschrieben resp. mit der Ausschreibung erzielt werden?

 

  1. Bestandsaufnahme durchführen

 

  • Welche Produkte und Lösungen sind auf dem Markt vorhanden (Marktanalyse)?
  • Welches sind Ihre wertschöpfenden Prozesse?
  • Wo liegen Herausforderungen und Probleme?
  • Was kann/soll harmonisiert werden? (Vor- und Nachteile vergleichen)
  • Welchen Mehrwert resp. welche Veränderung bringt uns die Ausschreibung?

 

  1. Bedarf analysieren

 

  • Welche Anforderungen haben die Anwender an die zukünftige Lösung?
  • Führen Sie Interviews/Workshops durch.
  • Welche Anforderungen sind relevant? Wählen Sie den 80/20-Ansatz.
  • Können/müssen Prozesse harmonisiert, digitalisiert oder automatisiert werden?
  • Lassen sich Schnittstellen und Medienbrüche reduzieren?
  • Wie können Sie ein hohes Commitment erreichen? Holen Sie alle ins Boot.

 

  1. Varianten erarbeiten

 

  • Welche Ansätze sind denkbar und sinnvoll?
  • Welche Gewichtung wünschen Sie sich punkto Leistung, Usability, Konfiguration, Kosten?
  • Bevorzugen Sie Standard- statt Individuallösungen.

 

  1. Umsetzung vollziehen und kommunizieren

 

  • Arbeiten Sie Verträge sauber und auf Basis der Ausschreibungsunterlagen aus.
  • Welche Aufwände entstehen Ihnen in der Migration- und Einführungsphase?
  • Planen Sie finanzielle Reserven ein.
  • Ist ein phasenweiser Umstieg möglich und sinnvoll?
  • Konzentrieren Sie sich aufs Wesentliche.
  • Wer muss informiert werden?
  • Kommunizieren Sie das Vorgehen und den Stand der Dinge transparent.

 

Wenn Sie die aufgeführten Schritte seriös durchführen, wird Ihre Ausschreibung effizienter – Sie machen nicht nur den Submittenten einen grossen Gefallen, sondern vor allem auch sich selbst.

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