Blockchain ganzheitlich umgesetzt

Blockchain ganzheitlich umgesetzt

Mai 2019

Iwan Schnyder

, Dipl. El.-Ing. ETH / MAS FHO BAE

«Die Blockchain-Technologie erlaubt als disruptive Innovation nicht nur eine Verschlankung bestehender Prozesse, sondern ermöglicht komplett neue Geschäftsmodelle und -prozesse. Ihr Einsatz bedingt allerdings oftmals einen Paradigmenwechsel in der Organisation und in den Prozessen.»

Blockchain ist eigentlich nur eine Datenstruktur. Dennoch kann sie als disruptive Innovation mit enormem Potenzial verstanden werden – und einem Unternehmen vielseitigen Mehrwert bringen.

Das Internet und die Digitalisierung haben die Disintermediation – also den Wegfall von Intermediären entlang der Wertschöpfungskette – in fast alle Geschäftsprozesse gebracht. Dadurch entstanden neue Marktteilnehmer und neue Konzepte, bei denen es keine scharfe Trennung von Produzenten und Konsumenten mehr gibt. Eine Wertschöpfungskette wird zum Wertschöpfungsnetz oder Wertschöpfungskreislauf. Konsumenten und Produzenten werden zu Prosumern; das heisst, sie sind gleichzeitig Produzent und Konsument. So sind Solarzellenbetreiber in der Stromproduktion sowohl Produzenten als auch Konsumenten. Und die Benutzer von Mobiltelefonen sind einerseits Konsumenten von Geodaten, und produzieren gleichzeitig fortlaufend – gewollt oder ungewollt – Informationen über den Zustand der Welt.

Grosse Macht hat folglich, wer die Informationen über alle diese Ökosysteme besitzt und verwaltet. Fakt ist: Die Marktteilnehmer sind von zentralisierten, globalen Informationsverwaltern abhängig geworden. Man ist auf diese Intermediäre angewiesen und muss ihnen vertrauen, um seine digitalen Besitz- und Zugangsrechte zu organisieren.

Was aber, wenn man Geschäftsprozesse ohne diese Intermediäre abwickeln möchte? Kann man dadurch vielleicht sogar effizienter werden? Und kann man sogar Prozesse erstellen, die es in dieser Form bis dato gar nicht gab?

Alles nur Bitcoin?

Bitcoin ist das wohl bekannteste Beispiel für eine Blockchain-Anwendung, nämlich als Währungsalternative. Der Währungsaspekt der Blockchain-Technologie ist jedoch bei Weitem nicht die einzige Anwendung, ganz im Gegenteil. Die Organisation und der Handel von Nutzungsrechten aller Art sowie Identifikationslösungen sind prädestinierte Einsatzgebiete für die Blockchain. Oder ganz generell gesagt: Überall dort, wo Transparenz und Nachverfolgbarkeit einen Mehrwert generieren, lohnt es sich, den Einsatz von Blockchain bei bestehenden Geschäftsfeldern und Prozessen zu prüfen. Zudem ermöglicht die grundsätzlich neue Datenstruktur disruptive Geschäftsfelder resp. Geschäftsmodelle. Das heisst, Geschäftsfelder oder -modelle, die den Status Quo komplett umstrukturieren beziehungsweise «zerschlagen» und in ihrer Form komplett neu sind.

Herausforderung Umsetzung 

Da es sich bei Blockchain allerdings nicht um eine sogenannte inkrementelle Innovation handelt, also um eine stetige und schrittweise Verbesserung von bestehenden Prozessen oder Geschäftsmodellen, hadern viele Organisationen mit der Implementierung und Umsetzung der Technologie.

Bei der Evaluation, ob und wie Blockchain für eine Organisation Mehrwert generieren kann, ist ein umfassender respektive systemischer Ansatz Grundvoraussetzung für den Erfolg. Das bedeutet: Es ist notwendig, nicht nur das eigene Unternehmen und Geschäftsfeld, die eigene Branche und den eigenen Markt zu analysieren, sondern auch die bestehenden Strukturen zu hinterfragen und neue zu skizzieren.

So ist die Schweizer Nationalbank aufgrund der Blockchain-Technologie nicht mehr die einzige Emittentin von Schweizer Franken. Es gibt den privaten digitalen Schweizer Franken und Blockchain-basierte Anleihen in Schweizer Franken, die als sichere Kryptowährung oder sichere Anlagen gebraucht werden können. Ebenso nutzen mittlerweile etliche Firmen Blockchain-basierte Lieferketten, beispielsweise der WWF, der an einer transparenten, direkten und deshalb Blockchain-basierten Spendenplattform arbeitet.

3B-M-Methodik

Um eine effektive und zugleich effiziente Realisierung von neuen Blockchain-Anwendungen zu gewährleisten, haben die BSG Unternehmensberatung AG und die Blockchain Trust Solutions AG gemeinsam das «Blockchain-BSG-BCTS-Modell» (3B-M) entwickelt. Seine erprobte Methodik ermöglicht die fundierte und systemische Evaluation von Potenzialen und Lösungsansätzen sowie eine markt- und kundenorientierte Unterstützung bei der Realisierung und Einführung.

In einer ersten intensiven Initialisierungsphase werden mit dem Kunden die wesentlichen Fragen evaluiert und mögliche Visionen entwickelt. Zum Beispiel: Kann die Blockchain-Technologie Aufgaben im Unternehmen und im Umfeld lösen und erlaubt sie neue Geschäftsmöglichkeiten für den Kunden? Dazu kommt ein praxiserprobtes Set an Werkzeugen zum Einsatz, was gleichzeitig den Knowhow-Transfer zum Kunden fördert.

Die Konzeptphase basiert auf den entwickelten Visionen und ist ein iterativer Prozess. Dabei werden Firmenstrategie, -prozesse, -organisation sowie weitere Aspekte der betriebswirtschaftlichen Aufgaben mit den Möglichkeiten der Blockchain-Technologie verknüpft. Die so erarbeitete Geschäftsinnovation ist die Grundlage für einen konkreten Business Case. In der Folge werden Entscheidungskriterien mit den Risikobetrachtungen bezüglich möglicher Blockchain-Infrastrukturen und -Architekturen sowie Applikationen und Schnittstellen (beispielsweise zu bestehenden ERP-Systemen) entwickelt.

In der Realisierungsphase werden die eigentliche Blockchain sowie die entsprechenden Blockchain-Applikationen umgesetzt, wobei eine handwerklich fundierte Programmierung von zentraler Bedeutung ist, da getätigte Blockchain-Einträge unveränderlich sind. Darüber hinaus muss die Blockchain-Anwendung in der Organisation mit den erforderlichen Prozessanpassungen und der Schulung aller Beteiligten stattfinden.

Zu Beginn der Einführungsphase werden im ersten Schritt anhand eines Piloten die Blockchain, die verwendeten Applikationen und Schnittstellen sowie die Funktionsweise mit allen Beteiligten unter realen Bedingungen geprüft. Identifizierter Verbesserungsbedarf, beispielsweise bei der Bedienung der Applikationen, oder Details in den Prozessabläufen werden ausgearbeitet, bevor die gesamte Einführung stattfindet.

Fazit

Die Blockchain-Technologie erlaubt als disruptive Innovation nicht nur eine Verschlankung bestehender Prozesse, sondern ermöglicht komplett neue Geschäftsmodelle und -prozesse. Ihr Einsatz bedingt allerdings oftmals einen Paradigmenwechsel in der Organisation und hinsichtlich der Abwicklung von Geschäftsprozessen. Weder Blockchain- noch Berater-Expertise vermögen den nötigen Gesamtblick auf Problemlösungsoptionen und Chancen für neue Geschäftsmodelle zu schärfen. Es braucht die Synthese von beidem: Management und Technologie.

Toni Caradonna ist CTO, Partner und Gründer der Blockchain Trust Solutions AG und prägt seit mehreren Jahren die Schweizer Blockchain-Szene mit. So hat er als erster den digitalen Schweizer Franken auf der Blockchain realisiert und den ersten Smart-Contract für Vereinigten Nationen (UNO) implementiert.

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