Digitale Superstars – Die Dominanz und ihre Folgen

Digitale Superstars – Die Dominanz und ihre Folgen

September 2018

David Lämmler

, Dipl. Ing. FH

«Die digital Superstars – und ebenso die staatliche Überwachung – schüren berechtigte Ängste, die im täglichen Leben der Bequemlichkeit oder den Gesetzes-Vorschriften geopfert werden.»

Alexander von Humboldt, einer der grössten Entdecker und Naturforscher des 19. Jahrhunderts, kam zum Schluss, man müsse die Erscheinung der Dinge in ihrem Zusammenhang sehen, um alles Geschaffene im Himmel und auf der Erde zu verstehen. Das gelingt uns heute eher selten. Die Gesellschaft verliert sich oft in der Kurzfristigkeit des Augenblicks und in der Seligkeit von Traumwelten. Sie nutzt die Bequemlichkeit digitaler Hilfsmittel mit der Illusion von Freiheit und Selbstverantwortung. Eine Illusion, die von den digitalen Superstars aufgebaut und in Form einer Hollywood-Show perfekt vermarktet wird, wie wir es von den inszenierten Produktlancierungen von Apple kennen. Einige Beispiele:

Der Hardware-Superstar
Jeder kennt Intel, den weltweit erfolgreichen Hersteller von Mikroprozessoren. Ein solides Unternehmen, das mit einem Marktanteil von 80 % weltweit führend in der Halbleiter-Technologie und Entwicklung ist. Namhafte Computer-Hersteller, die Mikroprozessoren benötigen, sind auf Intel angewiesen und müssen sich der Markt- und Technologiemacht dieses Unternehmens beugen.

Warum ist dieser Superstar – stellvertretend für andere Superstars – so erfolgreich? Die immensen Kosten für die Entwicklung und die Produktions-Infrastruktur können sich nur Firmen leisten, die über genügend Kapital verfügen. Kapital, das weiteren Umsatz und Gewinn für die Investition in noch komplexere Produkte und Produktionsmethoden generiert. Daraus ergibt sich ein wirtschaftlicher und technologischer Selbstläufer, der Mitbewerber in diesem Segment chancenlos lässt.

Der Betriebssystem-Superstar
Jedes digitale Gerät benötigt ein Betriebssystem. Wer im Bereich der Clients dominiert, ist unbestritten: Mit über 75 % Marktanteil schafft Microsoft ein Quasi-Monopol. Apple- oder Linux-Clients sowie einige No-Names teilen sich den verbleibenden Anteil. Die Dominanz basiert auf einem seit Langem auf dem Markt etablierten System, das kontinuierlich weiterentwickelt und konsequent vermarktet wird.

Die unangenehmen Folgen: Microsoft diktiert den Markt und gibt den Takt von neuen Produkten vor. Das spüren weltweit viele IT-Abteilungen betroffener Unternehmen: Sie beugen sich dem Microsoft-Diktat, investieren viele unproduktive Stunden in fehlerbehaftete Updates und müssen hilflos einen überforderten Microsoft-Support akzeptieren. Microsoft ist ein perfektes Beispiel für die Dominanz eines Superstars und die Ohnmacht der Benutzer: Nimm es oder lass es.

Die Dienstleistungs-Superstars
Die nicht vollzählige Auflistung von Dienstleistungs-Superstars wie Apple oder Google und in der asiatischen Welt Tencent oder Baidu ist ein weiteres Beispiel. Die Dienstleistungen in Form von Informationen, Angeboten und Technologie-Unterstützung sind beinahe unbeschränkt. Sie dringen in jeden Bereich von Staaten, Gesellschaften und Kulturen ein und beeinflussen damit weltweit die Menschen in ihrem Denken und Handeln. Die konsumierten Informationen und die daraus resultierenden Entscheidungen werden zunehmend von Algorithmen und Plattformen bestimmt, die unter der Kontrolle nicht rechenschaftspflichtiger Unternehmen oder staatlicher Organe stehen. Ein eindrückliches Beispiel sind die digitalen Reise- und Hotel-Angebote: Einmal unterwegs, werden die Vorlieben und Interessen akribisch analysiert und täglich in Form neuer Reiseziele und -Routen offeriert. Mit VIP-Vorteilen und angeblichen Rabatten ergänzt, steuern die Anbieter damit die Konsumenten über die digitale Welt zum realen Geldausgeben und Erleben. Wer dies erlaubt, ist selber schuld – oder grenzenlos naiv.

Die Superstars – und ebenso die staatliche Überwachung – schüren berechtigte Ängste. Ängste, die im täglichen Leben der Bequemlichkeit oder den Gesetzes-Vorschriften geopfert werden. Beinahe ohnmächtig beugt sich der Konsument den Diktaten dieser Superstars und gibt persönliche Daten frei – wenn auch mit einem latenten Unwohlsein. Er akzeptiert unbesehen kleingedruckte, komplizierte Vertragsbedingungen zur Nutzung der Dienstleistungs-Angebote. Ganz nach dem Motto «da kann ich eh nichts ändern». Aber dem ist nicht so: Konsumenten können Alternativen prüfen oder zumindest in Teilen auf den digitalen Luxus verzichten, ob temporär im Digital-Detox-Urlaub oder dauernd mit dem Löschen ihres Facebook-Kontos.

Mit dem stillen Einverständnis der Konsumenten werden die digitalen Superstars den fairen Wettbewerb weitgehend nach ihren Modellen gestalten und fast ungebremst weiterwachsen.
Sie führen die Gesellschaft am digitalen Gängelband durchs Leben, subtil und erfolgreich. Halten wir die Augen offen!

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