Digitale Transformation – Wo bleibt die Motivation?

Digitale Transformation – Wo bleibt die Motivation?

März 2023

Christoph J. Frick

, PhD Business Economics / Information Systems M.A. HSG Business Economics

Beim Thema Digitalisierung wird gerne hochmotiviert und leidenschaftlich diskutiert. Quer durch ganze Unternehmungen hat jeder und jede eine Meinung dazu. Nur ist die Hauptmotivation aber oft, sich gegen die Digitalisierung zu wehren. Selbstverständlich herrscht auch bei der Lösungsfindung zu analogen, greifbaren Problemen nicht immer eitel Sonnenschein. Aber bei Fragen der Digitalisierung scheinen das gegenseitige Verständnis und die gemeinsame Basis oft ausserordentlich klein zu sein.

Grundsätzlich sind immer jene, die eine Veränderung wollen, im Zugzwang. Und meistens läuft es darauf hinaus, dass sie zu erklären haben, warum man auf keinen Fall so weitermachen könne wie bis anhin. Dass Stillstand heute mehr denn je Rückschritt bedeutet, hätten inzwischen wohl alle begriffen, so der Grundtenor der Antreibenden und Veränderungswilligen. Und auch wenn die Konservativeren diesen Argumenten natürlich nicht widersprechen wollen, sehen bei der Digitalisierung die meisten oft nur, was ihnen weggenommen wird und was sie aus der Komfortzone reisst. Denn: Niemand hat ihnen ausreichend aufgezeigt, welchen Nutzen ihnen die Veränderung bringt und inwiefern sie ein persönlicher Mehrwert und eine individuelle Chance sein kann.

 

Ein Interesse, zwei Perspektiven

 

In Unternehmungen, deren zentraler Zweck nicht digitaler Natur ist, entstehen Impulse zur Digitalisierung meist nicht aus der reinen Lust an einer modernen, kreativen Weiterentwicklung. Nein, sie entspringen Überlegungen zur Kosten- und/oder Prozessoptimierung. Zwar geschieht dies durchaus zum Wohl der Unternehmung und damit letzten Endes auch zum Wohl des Einzelnen – aber, dass in der gleichen Zeit mehr erledigt werden kann und dies bei geringer Fehlerwahrscheinlichkeit, bedeutet für die Mitarbeitenden per se noch keinen Vorteil. Es bedeutet für sie in erster Linie, dass ihr bewährtes Vorgehen in eine Form gedrückt wird und allfällige Überstände abgeschnitten werden. Beschwichtigungen oder der Appell an die Logik, also der Hinweis auf das Wohl der Unternehmung und der Mitarbeitenden, können die Stimmung bestenfalls wieder asymptotisch Richtung Nullpunkt ziehen, aber definitiv nicht ins Positive. Logik hat noch selten über Ängste gesiegt. Wäre dem so, würden wir beispielweise auch deutlich öfter, beziehungsweise überhaupt, zu Vorsorgeuntersuchungen gehen.

 

Lust machen als zentrale Führungsaufgabe

 

Jedes sinnvoll geplante Projekt zur digitalen Transformation dürfte die erwähnten unternehmerischen Gründe haben. Was also vor allem benötigt wird, ist eine Storyline, die alle Beteiligten abholt. Eine Storyline, die nicht auf reiner Logik und Notwendigkeit basiert, sondern Lust auf das Neue macht. Sie muss aufzeigen, dass die Digitalisierung den Menschen nicht einfach zu einem unzuverlässigen Überbleibsel aus der Vergangenheit macht, sondern ihm zwar andere, aber durchaus attraktive Gestaltungsmöglichkeiten schafft. Hierfür kommen Führungspersonen nicht umhin, eine Extrameile zu gehen. Denn die Digitalisierung eines Ablaufes schafft in der Regel keinen neuen Raum zur Verwirklichung für die Mitarbeitenden – von der reinen Automatisierung wollen wir erst gar nicht reden. Nein, die Digitalisierung nimmt oft die Persönlichkeit, die individuelle Herangehensweise aus der Gleichung. Sich also mit einem spielerisch-kreativen Ansatz zu fragen, wie Begeisterung geschaffen werden kann, ist eine überaus ernste Angelegenheit und sollte jeder Führungskraft stets präsent sein. Der Mensch will sich einbringen und Spuren hinterlassen. Diese Tatsache zu beachten und ihr in der Folge mit Empowerment Rechnung zu tragen, zeichnet eine verantwortungsvolle Führungskraft aus. Die strategische Bedeutung der Wahl des Führungsansatzes ist längst unbestritten und in den meisten Unternehmungen in entsprechenden Papieren festgehalten. Warum sollte man dies ausgerechnet bei Projekten der digitalen Transformation ignorieren?

 

Punkten im Wandel

 

Eigentlich kann eine Führungsperson in einem Kulturwandel, und nicht weniger ist die Digitalisierung, bei den Mitarbeitenden relativ einfach punkten, denn die Erwartungen der Betroffenen sind eher überschaubar. Längst haben sie sich nämlich daran gewöhnt, dass Neuerungen zwar mit vielen und schönen Worten ausgeschmückt, aber oft in einer kommunikativen Einbahnstrasse aufgedrückt werden. Und so eröffnet sich Vorgesetzten die Chance, mit dem ernst gemeinten Einbezug aller Involvierten und mit einer klar vorgelebten Vision, einen überwältigenden Unterschied zu machen.

 

Die Führung und die Systeme an diesen Gedanken auszurichten, mag vielleicht nicht das gesamte Effizienzsteigerungs- und Optimierungspotenzial ausschöpfen, doch motivierte Mitarbeitende, die den Sinn hinter den Änderungen verstehen – und nicht einfach funktionierende Humanressourcen darstellen – sind langfristig mehr wert als das Ausreizen der vorgenannten Potenziale bis auf die letzte Kommastelle. Freude oder gar Spass an der Arbeit, was, so hat man oft den Eindruck, sich nur noch Start-ups laut auszusprechen getrauen, zieht die Stimmung weit ins Positive. Wer selbst den Mehrwert der neuen Herangehensweise spürt und den Spass darin gefunden hat, muss dies auch die Menschen um sich herum erleben lassen.

 

Manchmal gelingt einem dies selbst, und manchmal lohnt sich der Beizug eines Sparringpartners. Dieser Effort zahlt sich aus, denn genau dann lassen Mitarbeitende digitale Transformationsprojekte gelingen.

© 2023 BSG - All rights reserved

Made with ❤ by Kernbrand AG​