Serviceorientierte Ausschreibungen im IT-Umfeld erfolgreich gestalten

Serviceorientierte Ausschreibungen im IT-Umfeld erfolgreich gestalten

März 2023

Maurus Fässler

, M.A. HSG Banking and Finance

Die Digitalisierung schreitet voran und führt zu einem elektronischen Abbild und einer Ergänzung der physischen Welt. Es wird immer wichtiger, die Prozesse elektronisch in geeigneter Form abzubilden, statt sich um die technische Infrastruktur zu kümmern. Damit verbunden werden viele Erneuerungsvorhaben im IT-Umfeld herausfordernder, wenn es gilt, die heute teilweise komplexen Prozesse systemübergreifend rein elektronisch und ohne Medienbrüche als neue IT-Services abzubilden. Für Erneuerungsvorhaben der öffentlichen Hand kann die serviceorientierte Gestaltung von Ausschreibungen resp. Submissionen als Hilfsmittel dienen.

Serviceorientierte Ausschreibungen verstehen die technischen Voraussetzungen als Basis und setzen neu die Prozesse und Ergebnisse eines IT-Services ins Zentrum. So wird beispielsweise ausgegangen von einem professionellen IT-Betrieb in einem beliebigen Rechenzentrum unter Berücksichtigung des Datenschutzes und der Gewährleistung der Datensicherheit. Als Beispiel: Rechenzentren sollten in Staaten mit einem vergleichbaren Datenschutzniveau bereitgestellt werden. Beim Bezug eines SaaS darf man annehmen, dass die Anbieterinnen auch nicht wissen, welche Rahmenbedingungen für die Infrastruktur notwendig sind. So können je nach Klassifizierung der zu bearbeitenden Daten unterschiedliche Anforderungen an die Datenverschlüsselung in der Datenübermittlung und der Datenhaltung vorliegen. Die Datenübermittlung wurde mit dem zunehmenden Datenaustausch zum Standard und ist somit meist gegeben. Die Datenhaltung findet jedoch noch häufig unverschlüsselt in den vermeintlich sicheren Rechenzentren statt. Mit der Professionalisierung der Cloud-Dienstleistungen wie z.B. SaaS-Lösungen erhalten auch hier zunehmend Verschlüsselungspraktiken Einzug. Die Ausführungen zeigen, dass auch bei einer serviceorientierten Ausschreibung und der damit verbundenen Leistungsübernahme durch die IT-Dienstleisterin gewisse Vorgaben über technische Anforderungen gemacht werden müssen, damit die Anbieterinnen vergleichbare Angebote unterbreiten können. 

 

Die Prozesse und Anwendungsfälle stehen im Zentrum der Anforderungen 

 

Nachdem die technischen Voraussetzungen und das damit verbundene Betriebsmodell geklärt sind, können die mehrheitlich funktionalen Anforderungen eines IT-Services geprüft werden. Es gilt, die wichtigsten und häufigsten Prozesse und Prozessschritte als Anwendungsfälle zu erheben und zu dokumentieren, um die Anwendungsfälle als IT-Services in eine digitale Form zu bringen.  

 

Die zu erarbeitenden Anwendungsfälle müssen dabei den Nutzen und die Grenzen der Digitalisierung berücksichtigen. Der Nutzen ist dort zu generieren, wo häufig wiederkehrende Prozessschritte oder Transaktionen vorliegen oder die Arbeit an den Kunden delegiert werden kann (z.B. zwecks Datenerfassung). Die Grenzen wiederum zeigen sich in komplizierten oder komplexen Prozessen. Meist verfügen solche Abläufe über zu viele Abhängigkeiten, so dass eine manuelle Abwicklung weiterhin sinnvoll bleibt. Ebenfalls nicht lohnend ist die digitale Abbildung von einfachen Prozessen, die in einer sehr geringen Anzahl wiederkehrend auftreten. Meist verursacht deren Digitalisierung höhere Kosten als das Beibehalten der manuellen Abwicklung.  

 

Grobkonzept mit Vorgaben in der Ausschreibung Detailkonzeption mit der Anbieterin 

 

Auf Basis der erarbeiteten Anwendungsfälle zeigen die Anbieterinnen in ihrem Angebot in Form von Grobkonzepten ihre Lösungsansätze auf. Da die funktionalen Anforderungen sich mehrheitlich auf die zu digitalisierenden Prozesse und Anwendungsfälle des Leistungsbezügers beschränken, kommen den konzeptionellen Überlegungen mehr Gewicht zu. Um eine Vergleichbarkeit unter den Anbieterinnen zu gewährleisten und somit auch das Ausschreibungsverfahren professionell und rechtens abzuwickeln, kann man sich bei den Konzepten auf etablierte Projektmanagement-Standards wie z.B. HERMES abstützen. 

 

Doch auch die besten Grobkonzepte können nicht alle Inhalte eines komplexen IT-Services abdecken und somit die Detailspezifikationen ersetzen. Erst wenn auch die einzelnen Detailspezifikationen erarbeitet und abgenommen sind, lassen sich die finalen Folgen der Realisierung und Einführung von neuen IT-Services abschliessend beurteilen. Im Rahmen von serviceorientierten Ausschreibungen gilt es aus diesem Grund, eine aus Sicht des Leistungsbezügers risikoarme Durchführung der Detailkonzeptphase zu gewährleisten. Risikoarm bedeutet in diesem Falle: Bereits bei den Ausschreibungsunterlagen werden die Entwürfe für den Projekt– und Betriebsvertrag als zwingend zu akzeptierende Beilagen mit möglichst vollständigem Inhalt mitgeliefert. Rechtliche Vorgaben und Standards (wie z.B. die AGB SIK) können so von den Anbieterinnen während der Vertragsverhandlungen nicht mehr wegbedungen werden.

 

Angebotspräsentation als Bewährungsprobe

 

Eine weitere wichtige Möglichkeit, die Risiken in einem anschliessenden Projekt zur Realisierung von neuen IT-Services zu reduzieren, bieten im Ausschreibungsverfahren die Angebotspräsentationen. Vor wenigen Jahren noch standen in den Präsentationen das Vorstellen der Anbieterin und des Produktes im Zentrum. Im Zuge der zunehmenden Komplexität und Serviceorientierung geraten vermehrt zwei zentrale Fragestellungen in den Fokus: 

 

  • Hat die Anbieterin die Komplexität der Aufgabenstellung und die Problematik des Leistungsbezügers vollends verstanden? 
  • Ist die Anbieterin fähig, das Projekt innerhalb der geforderten Zeit umzusetzen und die geforderten IT-Services zu erbringen (Hardware- wie Softwareleistungen sowie sonstige Dienstleistungen)? 

 

Um diese Fragen zu beantworten, reserviert der Leistungsbezüger mit den besten Anbieterinnen ein Zeitfenster von zwei bis vier Stunden für die Angebotspräsentationen. Ein detailliertes Drehbuch mit Traktanden- und Zeitvorgaben ist ein valables Instrument, um eine bessere Vergleichbarkeit der Angebote und der Anbieterinnen zu schaffen. Bei offerierten Standard-Lösungen eignen sich zudem die wichtigsten und herausforderndsten Anwendungsfälle des Leistungsbezügers als Gradmesser für die Eignung der bereitgestellten IT-Services. So müssen die Anbieterinnen auch aufzeigen, wie sich die Anwendungsfälle digital abbilden lassen. Damit schaffen sie die Sicherheit, dass sich die IT-Services in die bestehende Servicelandschaft des Leistungsbezügers einbetten lassen. 

 

Fazit 

 

Die serviceorientierte Ausschreibung von Hardware, Software oder IT-Dienstleistungen ist eine komplexe, jedoch lösbare Aufgabe. Die BSG Unternehmensberatung AG begleitet seit vielen Jahren öffentlich-rechtliche Institutionen in der Ausschreibung von komplexen Beschaffungsgegenständen und steht auch Ihnen jederzeit als Sparringpartnerin zur Verfügung.