Mithilfe von Prozessmodellierungen können private Unternehmen und öffentliche Verwaltungen ihre Aktivitäten einfacher verwalten und optimieren. Auch für Ausschreibungen ist es zielführend, Prozesse zu dokumentieren. Gerade wegen der grossen Vielfalt an Dokumentationsmethoden und den damit verbundenen unterschiedlichen Flughöhen resp. Detailierungsgraden, fällt es vielen Unternehmen und Organisationen schwer, Prozesse aufzunehmen.
Ein im Bereich der Geschäftsprozessmodellierung viel verwendeter Standard ist Business Process Model and Notation 2.0, besser bekannt als BPMN 2.0. Dieser Standard gibt im Prozessmanagement klare Vorgaben zu grafischen Elementen, wie Tasks, Ereignissen, Gateways oder Datenobjekten, sowie zu deren Anwendung. Durch das Abbilden der Elemente nach ihrer zeitlichen Abfolge in Pools und Lanes werden Rollen und Verantwortlichkeiten ersichtlich. Mit BPMN 2.0 wird ein branchenunabhängiges, einheitliches Verständnis für Prozessmodelle geschaffen. Die Prozesse lassen sich zusätzlich als Basis für weitere Softwareentwicklungen nutzen.
Obwohl BPMN einen De-facto-Standard darstellt, wird es bei weitem nicht überall verstanden und angewendet. Hinzu kommt: Mit Prozessmodellen wird eine Optimierung und Standardisierung von Prozessen angestrebt, die unter Umständen von den am Markt verfügbaren Fachapplikationen schlecht oder gar nicht unterstützt werden. Gerade in Ausschreibungen kann die BPMN-Modellierung von konkreten Prozessschritten zu ungewollten Resultaten führen, indem Lösungsanbieterinnen die modellierten Prozesse als zwingende Sollprozesse verstehen, die es eins-zu-eins umzusetzen gilt. Es ist zwar möglich, dass die Sollprozesse in dieselben Ergebnisse und Zielzustände münden, jedoch von gängigen Standardsoftwares in einer anderen Art und Weise verarbeitet werden. Mit anderen Worten: Man sollte es den Lösungsanbieterinnen überlassen, die Prozesse in ihrer Lösung abzubilden, wie sie es für richtig halten. Entscheidender ist der Zielzustand resp. das Ergebnis des Prozesses.
Um bei Software-Evaluationen und damit verbundenen Ausschreibungen den Funktionsumfang und die Anforderungen nicht ungewollt einzugrenzen, können Prozesse auch in anderer Form dokumentiert werden. Eine Alternative bildet ein Use-Case-Beschrieb (siehe nachfolgende Tabelle), der zwar die grundlegenden Elemente des BPMN beinhaltet, jedoch ein fallbezogenes Darstellen ohne konkrete Schritt-für-Schritt-Anleitung ermöglicht. Unter einem Use Case wird ein Anwendungsfall verstanden, der beschreibt, was von einem System zur Erreichung eines Business-Ziels erwartet wird. Entscheidend hierbei ist eine möglichst produktneutrale Sicht. Die Aufnahme von Use Cases will erreichen, dass offen über Ziele und Ergebnisse gesprochen wird, ohne diese auf die einzelnen Prozessschritte herunterzubrechen.
Wie die Tabelle (siehe PDF zum Download) erkennen lässt, wird im Vergleich zur klassischen Prozessmodellierung nach BPMN 2.0 ein erweiterter Blick auf einen Prozess bzw. Use Case eingenommen. Zwar verliert die Dokumentation auf Prozessebene an Detailinformationen, da der Prozess an sich auf einer höheren Flughöhe betrachtet wird, doch andere Aspekte wie Technologie, Optimierungsbedarf und Anforderungen gewinnen an Bedeutung. Um an die notwendigen Informationen zu gelangen, müssen – gleich wie bei klassischen BPMN-Prozessworkshops – die verantwortlichen und ausführenden Stellen involviert sein.
Im vorliegenden Projekt hat die Methodik bei den involvierten Personen ein gutes Verständnis und eine hohe Zufriedenheit erzielt. Nebst der Erstellung der Use Cases erwies sich auch die kooperative Überarbeitung als verständlich und erfolgreich.