Homeoffice und New Work, flexible Arbeitszeiten und Digitalisierung sind fraglos auf dem Vormarsch. Sie werden oft synonym oder in einem Atemzug verwendet, als ob sie zusammengehörten und sich gegenseitig bedingten. Mit Recht: Es ist der Verbreitung digitaler Tools zu verdanken, dass aus theoretischen Konzepten eine reale Arbeitswelt geworden ist. Tools wie Skype, Zoom oder Teams haben im Jahr 2020 einen Aufschwung erfahren und sind aus der täglichen Arbeit nicht mehr wegzudenken. Doch mit der Ausweitung von Homeoffice und New Work, und der damit einhergehenden räumlichen Trennung von Mitarbeitenden und Unternehmen, kommen neue Herausforderungen zu Tage: Wie können Führungspersonen Mitarbeitende virtuell führen und ihre Leistung aus der Ferne beurteilen?
Auch dafür hat die fortschreitende Digitalisierung eine Lösung: Der Softwaremarkt liefert Applikationen und Tools, um Mitarbeitende und ihre Leistung auch im Homeoffice zu kontrollieren und zu überwachen. Das Kernproblem hierbei: New Work funktioniert nicht mit Kontrolle.
Eigenverantwortung versus Kontrolle und Überwachung
Die Grundidee flexibler Arbeitsformen stellt den Menschen ins Zentrum. New Work und Homeoffice setzen auf die Eigenverantwortung und Selbstorganisation der Mitarbeitenden. Die Kontrolle durch digitale, automatisierte Verfahren steht in einem radikalen Widerspruch zu diesem Ansatz. Wie lassen sich nun aber der Führungsanspruch, die Performance der Mitarbeitenden zu überwachen und zu optimieren, vereinbaren mit der Grundidee von Homeoffice? Und: Wie kann eine Führungsperson die Leistung ihrer Mitarbeitenden beurteilen, wenn diese gar nicht vor Ort sind? Oder ganz konkret:
Wie beurteilt eine Führungskraft persönliche Kompetenzen der Mitarbeitenden wie etwa ihre Kundenorientierung, Teamfähigkeit, Belastbarkeit etc., wenn sie die Mitarbeitenden aufgrund der räumlichen Trennung nicht oder nur eingeschränkt beobachten und wahrnehmen kann? Wie kann eine Führungsperson ihre Mitarbeitenden führen, ohne sie zu sehen, ihr Verhalten wahrzunehmen oder ihre Motivation zu spüren?
In der Praxis sind zwei Trends erkennbar:
1. Die Beurteilung und Führung der Mitarbeitenden fokussiert sich auf ihren Output (z.B. Umsatzzahlen, bearbeitete Fälle oder Anträge).
- Persönliche und Sozialkompetenzen rücken in den Hintergrund
- Gefahr von Wahrnehmungs-/Beurteilungsfehlern
- Talente sind schwieriger zu identifizieren
- Eine gezielte Personalentwicklung ist nur eingeschränkt möglich
- Die Mitarbeiterzufriedenheit sinkt tendenziell
2. Unternehmen nutzen automatisierte Verfahren, um Mitarbeitende und ihre Leistung zu tracken und zu kontrollieren.
- Überwachung vs. Selbstverantwortung
- Gestörtes Vertrauensverhältnis
- Innovationshemmend
- Kostenfaktor: Investitions- und Betriebskosten für Tracking-Software
Unsere Empfehlung:
- Etablieren Sie fixe Online-Meetings mit Videofunktion.
Eine objektive Wahrnehmung der Mitarbeitenden ist wichtig, um ihre Leistung und ihr Entwicklungspotenziale zu erkennen. Auch bei einer räumlichen Trennung ist es möglich, die Arbeitsergebnisse qualitativ und quantitativ zu beurteilen. Es wird jedoch empfohlen, einen regelmässigen Austausch – auch informell – zu ermöglichen, indem feste Zeitfenster für Online-Meetings etabliert werden und hierzu auch die Kamera-/Bildübertragungsfunktion genutzt wird. Denn: Menschen kommunizieren zu einem Grossteil nonverbal und die Kamera erlaubt der Führungskraft eine bessere Wahrnehmung der Mitarbeitenden.
- Definieren Sie Methoden zur Bewertung der persönlichen und der Sozialkompetenzen.
Abhängig von den Anforderungen der einzelnen Stelle, muss eine Führungskraft Überlegungen anstellen, wie sie diese Anforderungen überprüfen kann. Wird beispielsweise eine starke Kundenorientierung vom Mitarbeitenden gefordert, kann die Führungskraft Rückfragen bei einzelnen Kunden durchführen und die Kundenzufriedenheit überprüfen. Für eine Anforderung wie «Teamfähigkeit» kann die Führungskraft spezielle Aufträge an das Team erteilen und den Lösungsweg der Gruppe bzw. der einzelnen Teammitglieder aktiv nachverfolgen.
- Entwickeln Sie die Führungskompetenzen im Unternehmen.
Durch Homeoffice und New Work steigen die Anforderungen an Führungspersonen. Es sind Veränderungen des Mindsets und vertrauensbildende Massnahmen erforderlich. Zudem rückt die Kommunikation ins Zentrum und erfordert Fähigkeiten wie aktives Zuhören und eine klare Ausdrucksweise. Die Führungskraft muss durch spezifische Aktionen die Wahrnehmungslücke schliessen, welche die fehlende Präsenz der Mitarbeitenden mit sich bringt. Dies erfordert neben kreativen Ansätzen wie beispielsweise der Einführung von gemeinsamen virtuellen Kaffeepausen insbesondere auch Ressourcen der Führungskraft. Denn Fakt ist: Das Führen von virtuellen Teams und Mitarbeitenden ist aufwendiger, anspruchsvoller und erfordert zusätzliche Zeit, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Führungspersonen.
Das Spannungsfeld zwischen dem Überwachen von Mitarbeitenden und dem Stärken ihrer Eigenverantwortung wird uns über das Krisenjahr 2020 hinaus beschäftigen. Angesichts der steigenden Bedeutung des Homeoffice ist ein Wandel des Mitarbeitermanagements unumgänglich. Es lohnt sich, sich heute schon damit auseinanderzusetzen.