In einer Welt, die von Unbeständig- und Mehrdeutigkeit geprägt ist, sind Problemlösungsansätze gefragt, die so robust wie möglich gegenüber ungenauen, unvollständigen oder gar falschen Annahmen sind. Aus der Vielzahl von bekannten Methoden erfüllt die systemische Methode diese Anforderung wohl am besten.
Der Begriff «systemisch» hat seinen Ursprung in der angewandten Sozialforschung und in der neueren Systemtheorie. Die angewandte Sozialforschung geht der Frage nach, wie stark komplexe soziale Systeme, die nicht durchschaubar sind, gezielt beeinflusst werden können. Während die neuere Systemtheorie versucht, durch das Einnehmen verschiedener Perspektiven einen Zugang zu organisierter Komplexität zu finden. In der Anwendung versucht der systemische Ansatz, eine Ausgangslage oder Herausforderung als Ganzes zu betrachten und sich nicht im Detail zu verrennen. Das heisst: Man sucht den Blick aufs grosse Ganze, immer im Bewusstsein, dass alles beweglich und im Fluss ist. Dies bedarf klarer Ziele, die aber nicht zu starr ausdifferenziert sein dürfen, und einer gewissen Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Unschärfe, die Spielraum für kurzfristige Anpassungen zulässt.
Dieser Blick auf das Ganze hilft Organisationen also, mit den aktuellen Herausforderungen umzugehen. Zu diesen Herausforderungen gehört vor allem die Umwelt, die von Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit geprägt ist. Im systemischen Management spricht man von der sogenannten VUCA-Welt (Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity). Das VUCA-Modell versucht, die ganze Umwelt in ein Raster zu bringen und auf diese Weise den Rahmen zu definieren, in dem heutige Führungskräfte Entscheidungen treffen müssen.
Beim systemischen Ansatz geht man davon aus, dass das zur Problemlösung benötigte Know-how bereits in einer Organisation vorhanden ist. Deshalb treten systemische Berater beispielsweise nicht als inhaltliche Fachexperten auf, sondern als Moderatoren und Sparringpartner. Diese Herangehensweise unterscheidet sich stark von anderen Beratungen, die versuchen, auf alle Fragen eine Antwort parat zu haben. Auch die Art, wie mit betriebswirtschaftlichen Modellen gearbeitet wird, unterscheidet sich beim systemischen Ansatz vom herkömmlichen Ansatz. Die seit vielen Jahren verwendeten betriebswirtschaftlichen Modelle kommen zwar beim systemischen Ansatz zur Anwendung, doch mit dem entscheidenden Unterschied, dass sie nicht als normativ angesehen werden. Viele dieser betriebswirtschaftlichen Modelle setzen nämlich eine stabile Umwelt voraus (Ceteri-Paribus-Klausel), was in der VUCA-Welt, in der wir leben, meist nicht gegeben ist.
Am Beispiel eines Managers, der mit dem systemischen Ansatz arbeitet, kann die Vorgehensweise erklärt werden. Dieser Manager geht den Herausforderungen durch geschaffene Kommunikationsräume, wie wöchentliche Meetings oder strategische Auszeiten, auf den Grund und sucht im Dialog mit der ganzen Belegschaft nach einer Lösung. Der Dialog mit den involvierten Personen trägt dazu bei, ein umfassendes Bild der aktuellen Fragestellung oder Herausforderung zu erarbeiten.
Der systemische Ansatz hilft Organisationen, in der VUCA-Welt zu bestehen. Die etwas andere Herangehensweise befähigt eine Organisation, ihre Herausforderungen selbst zu bewältigen, ohne sich im Detail zu verrennen. Dies führt zu Ergebnissen, die exakt auf die Fragestellung dieser entsprechenden Organisation zugeschnitten sind. Organisationen können vom Einsatz des systemischen Ansatzes erwarten, dass sich Probleme gesamthaft erfassen und gemeinsam lösen lassen. Das Einnehmen verschiedener Perspektiven hilft einer Organisation, mit der immer komplexeren Umwelt umzugehen.
Der seit vielen Jahren angewendete «herkömmliche» Problemlösungsansatz hat durchaus seine Daseinsberechtigung. Schliesslich arbeiten Organisationen seit jeher erfolgreich. Der systemische Ansatz wird jedoch zunehmend wichtig. Internet und Digitalisierung haben die Welt verändert. Das Business ist schneller geworden, VUCA ist allgegenwärtig. Der Umgang mit den bestehenden betriebswirtschaftlichen Modellen und der Einsatz von systemischen Fragen durch den auf Augenhöhe agierenden Berater legen neue Erkenntnisse offen. Der systemische Ansatz bringt für Beratung und Management einen mächtigen Werkzeugkasten – und robustere, schnellere Lösungen.