Schon neugierig?

Schon neugierig?

September 2018

Roman P. Büchler

, Master of Business Management ZfU

«Mitarbeitende müssen erkennen, was ihr persönlicher Bezug zum grossen Ganzen ist.»

Alle Welt schreit nach Innovation, Disruption und «sich neu erfinden». Viele Experten sind sich inzwischen einig: So weitermachen wie bisher, hilft nicht bei der vierten industriellen Revolution. Es braucht nun einen Quantensprung in der Organisationsentwicklung. Wo aber beginnen? Unser Vorschlag: Neugier wecken.

Prognosen zeigen: Der zunehmende Wettbewerbsdruck wirkt sich negativ auf den Lebenszyklus von Organisationen aus. Dabei hilft es nicht, auf Fragen von morgen Antworten von gestern zu geben. Es braucht ein neues Gedankengut. Ein Gedankengut, das Väter und Mütter längst kennen: Neugier. Die natürliche Neugier von Kindern zu wecken und gedeihen zu lassen, ist ein wesentliches Element in der Erziehung. Damit dies gelingt, müssen gewisse Voraussetzungen im Umgang mit dem Nachwuchs erfüllt sein. Und genauso braucht es im Unternehmen fünf Grundvoraussetzungen, damit Neugier gedeihen kann:

  • Zuhören: Fördern und fordern Sie Neugier durch Aufmerksamkeit.
  • Autonomie gewähren: Gestehen Sie den Mitarbeitenden Freiräume für ihr Wirken ein.
  • Kompetenz fördern: Schaffen Sie ein lernendes Unternehmen und lassen Sie die Menschen hierarchieungebunden interagieren.
  • Bezug schaffen: Zeigen Sie den Mehrwert des Einzelnen für das grosse Ganze und schaffen Sie diesbezüglich positive Gefühle.
  • Anreize geben: Belohnen Sie Neugierde richtig.

Die fünf Grundvoraussetzungen
Zuhören ist hohe Schule. Viele Führungskräfte hören sich lieber selber reden, als den Mitarbeitenden zuzuhören. Hier beginnt die kulturelle Veränderung. «Management by wandering around» bedeutet, aus der Teppichetage in den Betrieb zu gehen. Schauen Sie sich an, womit die Mitarbeitenden sich tagtäglich beschäftigen. Fragen Sie nach deren Tagesärger und was die Organisation ihrer Meinung nach dagegen tun soll. Fragen Sie insbesondere nach Kundenrückmeldungen oder Kundenanliegen, die an die Mitarbeitenden herangetragen werden.

Gewähren Sie viel Autonomie beim Entwickeln und Umsetzen von Ideen. Gute Mitarbeitende brauchen Raum, damit sie sich entfalten können. Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum Mitarbeitende Dienst nach Vorschrift in der Organisation verrichten, zu Hause in der Garage oder im Bastelraum aber an einem innovativen neuen Konzept für ihr Hobby tüfteln? Kompetenzen sind in dem Fall offenbar vorhanden, sie können aber durch gezielte Aus- und Weiterbildung noch besser genutzt werden. Schaffen Sie einen Bezug zu einem gemeinsamen grösseren Ganzen. Zeigen Sie den Mehrwert auf, den jede/r Mitarbeitende tagtäglich zur Weiterentwicklung der Organisation beiträgt. Das motiviert. Mitarbeitende tragen diesen Spirit sofort nach innen und, viel wichtiger noch, nach aussen. Sie sind stolz auf ihre Leistungen und die Möglichkeiten, die ihnen die Organisation bietet. Glauben Sie, dies spürt der Kunde? Auf jeden Fall.

Wenn Sie diese Punkte beherzigen, brauchen Sie kaum mehr ein Anreizsystem. Wenn Sie aber dennoch Anreize schaffen wollen, dann Anreize in die folgende Richtung:

  • Erweiterung der persönlichen Autonomie und der Verantwortungsbereiche
  • Mitarbeit bei oder Führung von zukunftsweisenden Projekten
  • Möglichkeiten, neue Mitarbeitende einzuführen oder zu entwickeln

Danach brauchen Sie nur noch eine Zutat für eine zukunftsfähige Organisation: Neugier.

Neugierige Mitarbeitende
Die aufgeführten Punkte sind eine Grundvoraussetzung für eine neue Unternehmenskultur. Sie alleine reichen aber nicht. Es braucht auch Mitarbeitende, die Fragen stellen wie:

  • Warum wird das so gemacht?
  • Wie funktioniert etwas, wieso funktioniert etwas nicht?
  • Wo kommt es her?
  • Wer hat es erfunden?
  • Können wir das nicht anders tun?
  • Was haben wir schon probiert?

In der Regel sind diese Menschen in der Organisation bekannt. Sie hinterfragen alles und ernten immer wieder Raunen oder sogar Missgunst aus dem Publikum. Doch Neugier ist, richtig eingesetzt, konstruktiv, nicht destruktiv. Es müssen deshalb Arbeitsumgebungen geschaffen werden, die Lust auf Neugier machen. Führungskräfte müssen eine positive Fehlerkultur zulassen und ein autonomes Umfeld schaffen. Das hilft, Mitarbeitende zur Neugier zu animieren. Der Neophobie, also der «Angst vor Neuem», muss mit guten Beispielen entgegengewirkt werden. Erst dann ist die Organisation bereit für den nötigen Quantensprung in der vierten industriellen Revolution.

Konklusion
Neugier hilft, einer Organisation die nötige Aufmerksamkeit zurückzugeben. Die Organisation wird dadurch achtsamer und erkennt Chancen, bevor sie an ihr vorbeigezogen sind. Neugierige und achtsame Mitarbeitende halten aktiv Ausschau nach Möglichkeiten und Optionen für die eigene Organisation und für Kunden. Dies bedingt aber von den Führungspersonen mehr Autonomie für die Mitarbeitenden und die Möglichkeit zu konstantem Lernen und Wachsen. Was aber noch viel wichtiger ist: Mitarbeitende müssen erkennen, was ihr persönlicher Bezug zum grossen Ganzen ist. Das macht ihre Arbeit interessanter und sorgt nebenbei für mehr Zufriedenheit im Job. Denn, wie Galileo Galilei sagte: «Die Neugier steht an erster Stelle eines Problems, das gelöst werden will!».

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