Selbstverwirklichung, Homeoffice, Entscheidungskompetenz

Selbstverwirklichung, Homeoffice, Entscheidungskompetenz

März 2022

Iwan Schnyder

, Dr. sc. techn. ETH / MAS FHO BAE

«Jedes Unternehmen – und damit verbunden jede Führungskraft – hat es selbst in der Hand, ob die Auswirkungen daraus zu bedrohlichen Risiken heranwachsen oder in zukunftsweisende Chancen überführt und nachhaltig genutzt werden.»

Die Coronakrise hat den Stellenwert von Selbstverwirklichung, neuen Arbeitszeitmodellen und Sinnhaftigkeit weiter ausgebaut. Für Arbeitgeber gilt es nun, diese Veränderungen  mit entsprechenden Massnahmen aufzugreifen, damit sie nicht zum Risiko für das Unternehmen werden.

 

Nicht erst seit der Coronakrise  gewinnt die Selbstverwirklichung eines jeden an Bedeutung. Corona und die damit angeordneten Massnahmen, wie Lockdowns und Einschränkungen, haben diesen Trend zusammen mit einem gesteigerten Sicherheitsbedürfnis weiter verstärkt und zudem bewirkt, dass jeder vermehrt  in erster Linie für sein eigenes Wohl und seine eigene Sicherheit besorgt ist – sowohl  privat als auch geschäftlich. Die Auswirkungen dieses Kulturwandels sind denn auch vielschichtig.

 

Die Selbstverwirklichung wird immer wichtiger und findet immer mehr in der Freizeit und nicht mehr im Arbeitsleben statt. Damit verbunden nimmt die Work-Life-Balance einen immer höheren Stellenwert im Leben eines Einzelnen ein. Die Vereinbarkeit von Arbeit,  Familie und Freizeit wird immer wichtiger, wodurch  die Nachfrage nach Teilzeitmodellen zunimmt.

 

Zugleich  hat die Coronakrise  gezeigt, dass Dank der Digitalisierung das Arbeiten im  Homeoffice  in den meisten  Fällen problemlos umgesetzt werden  kann – selbstverständlich in Abhängigkeit von der Art der Arbeiten und den privaten Verhältnissen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Nach diesem erfolgreichen «Testlauf» fordern mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein, dauerhaft einem Prozentsatz ihrer Arbeit im Homeoffice nachgehen  zu können.

 

Insbesondere dort, wo Fachkräfte fehlen, hat sich ausserdem der Rekrutierungsprozess dahin verschoben, dass gute potenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich ihren Arbeitgeber aussuchen und so auch deutlich mehr Forderungen stellen können. Gleichzeitig hat die Bereitschaft, alles für ein Unternehmen zu leisten, zugunsten der eigenen Gesundheit und Familie abgenommen.

 

Risiken und Chancen für die Wirtschaft und Unternehmen

Es stellt sich somit die Frage, was die Auswirkungen dieses Wandels und somit die Chancen und Risiken auf die Wirtschaft sind.  Es lassen sich die folgenden Risiken identifizieren: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer identifizieren sich immer weniger mit ihrer Arbeit und dem Arbeitgeber, die Hemmschwelle, den Arbeitgeber zu wechseln, wird niedriger. Daraus entsteht das Risiko des Verlusts von (guten) Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einer hohen Mitarbeiterfluktuation, was immer mit hohen Kosten und allenfalls gar mit Imageschäden seitens des Arbeitgebers verbunden ist. Der Mangel an Fachkräften bewirkt nicht nur aufwändige und kostenintensive Rekrutierungsprozesse, sondern resultiert ebenso in gestiegenen Lohnforderungen der spezialisierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder gar darin, dass offene Vakanzen über lange Zeit nicht mehr besetzt werden  können.

 

Gleichzeitig  bestehen jedoch grosse Chancen, die ein Arbeitgeber für sein Unternehmen nutzen kann. Gelingt es, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Selbstverwirklichung bei der Arbeit suchen und auch finden, entfaltet sich daraus ein riesiges Potenzial, das sonst in der Freizeit umgesetzt wird und dem Arbeitgeber verloren  geht. Gleichzeitig sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter intrinsisch für ihre Arbeit motiviert und brennen für ihre Arbeit und ihren Arbeitgeber.  Damit einhergehend werden nicht nur die Mitarbeiterfluktuation und die damit verbundenen Kosten reduziert, sondern die Rekrutierung von neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gestaltet sich einfacher, auch bei  Fachkräftemangel.

 

Wie Arbeitgeber ihre Attraktivität steigern

Es geht also darum, dass Arbeit wieder zur eigenen Berufung – im wahrsten Sinne des Wortes – werden muss. Das bedeutet, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer darin einen Sinn sehen, an ihrer Tätigkeit Freude entwickeln und Befriedigung finden. Dies beginnt bei den Aufgaben, die für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sinnstiftend ausgestaltet sein sollen; wobei das Machbare stets im Auge behalten werden soll. Gleichzeitig soll die Arbeit eine «gesunde Herausforderung» darstellen, bei welcher sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beruflich und auch persönlich weiterentwickeln können und so eine Perspektive für die Zukunft entsteht.

 

Um dahinzukommen, gibt es eine Reihe von möglichen  Massnahmen, die ein Arbeitgeber umsetzen kann, um seine Attraktivität zu steigern. Diese sind ein modernes Arbeitszeitmodell in Kombination mit der Möglichkeit für Homeoffice. Wobei Homeoffice genau dort und dann stattfinden soll, wo und wann es sinnvoll und nutzenstiftend wirkt; insbesondere aus Sicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Zudem gilt es zu beachten, dass ein solches Modell nur dann umsetzbar ist, wenn gegenseitiges Vertrauen herrscht. Ausserdem und nicht zuletzt aus arbeitsrechtlicher Sicht ist es wichtig, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Grenzen kennen und die Arbeit von der Freizeit deutlich abgrenzen können.

 

Ebenso kann mit einem modernen Führungsstil den Erwartungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entsprochen werden. Eine Unternehmensführung, die auf Selbstverantwortung, gegenseitigem Vertrauen, Transparenz und klar definierten Prozessen aufgebaut ist, ist eine ideale Ausgangslage, um neue Arbeitszeit- und Homeoffice-Modelle einzuführen. Ansporn, Ermutigung, Förderung, Befähigung und Wertschätzung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind ins Zentrum der Führung zu stellen, wie dies bei modernen  Führungsstilen (transformationale und transaktionale Führung) der Fall ist.

 

Des Weiteren können die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Entscheidungen, die dies erlauben, durch ein Mitbestimmungsrecht eingebunden werden, damit sie ihre Arbeit und ihr Arbeitsumfeld mitgestalten können. Zusätzlich können eine Erhöhung der Ferientage und weitere attraktive Fringe Benefits zur Attraktivitätssteigerung beitragen.

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