Künstliche Intelligenz – neue Wege in der Rechtsberatung

Künstliche Intelligenz – neue Wege in der Rechtsberatung

März 2024

Romeo Minini

, lic. iur. RA, Exec. MBA HSG

Künstliche Intelligenz (KI) beeinflusst unsere Arbeitswelt in zunehmendem Mass. KI löst unterschiedliche Reaktionen aus. Erwartungen an eine höhere Qualität der Leistungen oder an eine Steigerung der Effizienz im Arbeitsprozess stehen Ängsten gegenüber, dass KI die menschliche Arbeitsleistung teilweise ersetzt. KI ist in der Rechtsberatung1 nicht mehr wegzudenken. Welchen Nutzen bringt ihr Einsatz und worauf gilt es zu achten? Diese Fragen werden nachstehend aufgegriffen.

Beschaffung von Daten 

 

Eine Rechtsberatung ist eine Dienstleistung zwischen zwei Parteien. Die eine Partei erwartet eine Beratung oder eine Antwort auf die unterbreiteten Fragen. Die beratende Partei greift diese Themen auf, weist auf gesetzliche Grundlagen hin, erläutert die Gerichtspraxis oder empfiehlt Vorgehensschritte. Dabei muss die beratende Partei die geltenden Gesetzesbestimmungen sowie die aktuelle Gerichtspraxis kennen und anwenden. Heute sind die dazu nötigen Daten weitgehend digital verfügbar und ohne besonderen Aufwand abrufbar.  

 

Anwendung auf einen Sachverhalt 

 

Die Beschaffung von Daten stellt in der Rechtsberatung stets den ersten Schritt dar. Als Ergebnis liegt oftmals eine Fülle von Daten über Gesetze und Gerichtsentscheide ohne direkten Bezug zum Beratungsthema vor. Der Gegenstand der Beratung ist vorab in einen direkten Zusammenhang zu den beschafften Daten zu stellen. In der Rechtsberatung ist der vorliegende Sachverhalt unter einen bestimmten Rechtssatz oder einen Gerichtsentscheid zu subsumieren. 

 

Die Forschungstätigkeiten in der KI-Rechtsberatung befassen sich intensiv mit der Anwendung von KI auf konkrete Sachfragen. Passen Daten direkt zu einem Sachverhalt oder lässt sich eine Gesetzesbestimmung unmittelbar unter eine Rechtsfrage subsumieren, dann liegt darin ein Nutzen der Anwendung von KI. Zurzeit ist davon auszugehen, dass der juristische Subsumptionsprozess überwiegend in menschlichen Händen liegt.  

 

Herausforderungen bei der Anwendung von KI  

 

Bereits bei der Anwendung von KI auf einfachere Fragestellungen stellen sich erste Herausforderungen. Die Parteien erstellen zum Beispiel einen IT-Dienstleistungsvertrag auf der Grundlage eines KI-Textvorschlags. Die wesentlichen Vertragselemente sind in der Regel in der Vorlage enthalten. Oftmals fehlen jedoch wichtige Vertragsbestimmungen oder der Vertragstext gibt den Willen der Parteien nicht vollständig wieder. Die Parteien sind daher gezwungen, den vorliegenden KI-Vertragsentwurf inhaltlich zu verbessern.  

 

Liegen KI-Antworten über Firmen oder Personen vor, muss der Rechtsberater die Verwendung dieser Daten überprüfen. Eine Aussage kann sprachlich korrekt und inhaltlich plausibel sein und dennoch nicht mit der Realität übereinstimmen, weil durch KI auch falsche Aussagen geschaffen werden können. Die Rede ist von KI-Halluzinationen. Wenn, gestützt auf eine KI-Antwort, die Gefahr einer Persönlichkeitsverletzung oder einer Rufschädigung einer Firma besteht, darf der Berater KI-Antworten nicht verwenden. 

 

Gesetzliche Bestimmungen sind oftmals auszulegen, damit sie sich unter einen Sachverhalt subsumieren lassen. Ein Gesetzestatbestand verlangt beispielsweise, dass ein wichtiger Grund vorliegen muss, um ein Vertragsverhältnis aufzulösen. Was aber ist unter einem wichtigen Grund zu verstehen? Antworten von KI können Beispiele von wichtigen Gründen aufzeigen oder auf Gerichtsentscheide verweisen. Die Erwartungen an eine verwertbare Antwort von KI dürfen bei dieser Abfrage nicht zu hoch gesteckt sein. KI liefert zwar eine Datenfülle, beantwortet die konkrete Frage aber oftmals nicht. Die Antwort enthält allenfalls wiederum unbestimmte Begriffe, die auszulegen sind. Dieses Dilemma ist in der KI-Rechtsforschung bekannt. Daher werden grosse Anstrengungen unternommen, um die Qualität der KI-Antworten zu verbessern. 

 

Die Suche nach Gerichtsentscheiden nimmt bei KI-Abfragen einen bedeutenden Stellenwert ein. Die Auswertungsergebnisse sind zu überprüfen. Es ist nicht auszuschliessen, dass KI einen neuen Gerichtsentscheid schafft, der erfunden ist. Dieser Entscheid enthält zwar die gesuchten Kriterien, beruht jedoch auf keinem bestehenden Gerichtsentscheid. Zudem werden die Gerichtsentscheide oftmals nicht korrekt zitiert und sind daher in formeller Hinsicht zu korrigieren.  

 

Schlussfolgerung und Fazit 

 

Die technische Entwicklung schreitet fort. Die Systeme sind künftig in der Lage, nicht nur Daten zu beschaffen, sondern vermehrt auch, Sachverhaltsanalysen vorzunehmen und eine juristisch logische Argumentation aufzubauen. 

 

In der Rechtsberatung spielt die Sozialkompetenz eines Beraters neben seiner fachlichen Kompetenz eine zentrale Rolle. Idealerweise baut der Rechtsberater ein Vertrauensverhältnis mit der Kundschaft auf. Dann gelingt es dem Berater, relevante Informationen für eine Gesamtbeurteilung der rechtlichen Fragestellungen zu erhalten, die allenfalls nicht direkt zum Beratungsthema gehören. Als Fazit ist festzuhalten: In der Rechtsberatung kann KI den Menschen in Zukunft nicht ersetzen. KI leistet jedoch auf jeden Fall einen wesentlichen Beitrag zu einer auf die Kundenbedürfnisse ausgerichteten Rechtsberatung.  

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